In einem Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Cyberkriminalität versteckt das russische Ministerium für digitale Entwicklung eine Legalisierung bestimmter dDoS-Angriffe. Das Gesetzesvorhaben ist derzeit in Abstimmung mit Behörden und Industrievertretern und enthält mehrere Dutzend neue Maßnahmen.
Verteilte Denial-of-Service-Angriffe (dDoS) sind seit Jahrzehnten eines der größten Probleme für Internetanbieter und Seitenbetreiber. Bei den mittlerweile auf Terabits an Daten angeschwollenen Attacken setzen Cyberkriminelle oder Aktivisten durch Paketfluten Webserver, Apps oder andere Dienste außer Gefecht. Kriminelle nutzen dDoS zur Erpressung, russische Gruppierungen wie Noname057(16) aber auch zum Ausdruck ihrer Unterstützung des Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Künftig könnten sie das womöglich mit dem Segen des russischen Justizapparats tun, wenn sie ihre Ziele entsprechend aussuchen. In dem Paket "Betrugsbekämpfung 2.0" (russ.: "Антифрод 2.0") soll dDoS mit empfindlichen Strafandrohungen von bis zu zwei Millionen Rubel Geld-, 8 Jahren Freiheitsstrafe und zwischen einem und drei Jahren Berufsverbot versehen werden. Dazu soll ins russische Strafgesetzbuch der Artikel 272.2 aufgenommen werden, berichtet die russische Tageszeitung Kommersant.
Doch der Entwurf sieht eine Ausnahme vor, wenn Angreifer sich Ziele ausgesucht haben, "deren Zugriff gesetzlich verboten oder eingeschränkt ist". Werden sie bei einem dDoS gegen derlei Ressourcen erwischt, gehen sie straffrei aus. Die Liste dieser eingeschränkten Ressourcen ist in Russland lang. Sie umfasst große soziale Netzwerke wie Instagram, X, Discord und Youtube, fast alle ukrainischen Medienseiten, aber auch Amnesty International und sogar eine Webseite für Schachfreunde.
Somit könnten russische Netzvandalen ungehindert gegen Unternehmen und Dienste vorgehen, solange diese nur auf der Sperrliste von Roskomnadzor, der russischen Aufsichtsbehörde verzeichnet sind. Diese können Interessierte online abfragen, sie war am frühen Freitagnachmittag von mehreren Testpunkten in Deutschland jedoch nicht aufrufbar. Womöglich wegen einer Netzsperre oder gar wegen eines dDoS-Angriffs? Dieser dürfte dann auch nach neuer russischer Rechtsauffassung strafbar sein.

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