Das Informationssystem für Beamte an EU-Grenzen, Schengen-Informations-System 2 (SIS II), soll "illegale Immigranten" und verdächtige Kriminelle in Echtzeit melden. Vertrauliche E-Mails und Prüfberichte attestieren der Software jedoch zahlreiche Sicherheitslücken und Schwachstellen.
Bloomberg hat diese Berichte und E-Mails zusammen mit Lighthouse Reports erlangt und ausgewertet. Der europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) hatte demnach tausende Sicherheitslücken in einem Bericht aus dem Jahr 2024 mit der Risikoeinstufung "hoch" eingeordnet. Außerdem habe eine exzessive Anzahl von Zugängen Admin-Rechte beim Datenbankzugriff, eine "vermeidbare Schwachstelle, die interne Angreifer missbrauchen konnten". Es gebe keine Hinweise, dass auf Daten aus SIS II unbefugt zugegriffen wurde oder sie entwendet wurden.
Ziel des im Jahr 2013 nach Verzögerungen in der Entwicklung eingeführten Schengen-Informations-System 2 ist, die Außengrenzen mit digitalen und biometrischen Mitteln zu stärken. Es ermöglicht Mitgliedsstaaten, Echtzeit-Alarme einzusehen und auszugeben, wenn markierte Individuen, Gruppen mit Terrorverdächtigen oder Menschen mit ausstehenden Haftbefehlen versuchen, die EU-Grenzen zu übertreten.SIS II laufe derzeit in einem isolierten Netzwerk, soll jedoch in absehbarer Zeit mit einem "EU Entry/Exit System" (EES) verbunden werden, das die Registrierung der hunderte Millionen jährlichen Besucher automatisieren soll. EES ist mit dem Internet verbunden, wodurch bösartige Akteure es leichter haben, die höchst sensiblen Informationen in der SIS-II-Datenbank abzugreifen, warnt der Bericht laut Bloomberg.
Alarme in SIS II können Fotos von Verdächtigen und biometrischen Daten wie Fingerabdrücke an Tatorten umfassen. Seit März 2023 umfassen die Informationen auch "Rückkehr-Entscheidungen", also rechtliche Entscheidungen, die Menschen zur Deportation aus dem EU-Bereich markieren. Der Datenbestand wird auf 93 Millionen Einträge geschätzt, von denen der Großteil gestohlene Objekte wie Fahrzeuge und Ausweisdokumente betreffe, jedoch sollen rund 1,7 Millionen Einträge mit Menschen verknüpft sein. Davon wiederum seien 195.000 als mögliche Bedrohung der nationalen Sicherheit eingestuft. Bloomberg erörtert, dass Einzelpersonen allgemein nicht wissen, welche Informationen über sie in SIS II lagern, bis Strafverfolger darauf reagieren. Ein Datenleck könne es gesuchten Personen leichter machen, der Entdeckung zu entgehen.
Der Prüfbericht attestiert SIS II, anfällig für Cybereinbrüche zu sein, die bösartigen Akteuren unbefugt weitreichenden Zugriff ermöglichen. Zuständig für die Verwaltung von IT-Großprojekten wie SIS II ist die Agentur EU-Lisa. Diese hat die Schwachstellen an das in Paris ansässige Vertragsunternehmen für die Entwicklung und den Betrieb von SIS II, Sopria Steria übermittelt. Die Entwickler haben zwischen acht Monaten und fünfeinhalb Jahren gebraucht, die Probleme zu beseitigen.